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mm_ebooks_02_2017

24 | missio 2/2017 EIN SPLITTER IST ES, ein kleines Körnchen nur. Aber für die junge Lisette ist das ein Grund zur Freude. Lächelnd blickt sie in die Holzschüssel, während das kalte Flusswasser ihre Beine umspült. „Ich habe etwas gefunden“, flüstert sie ih- rem Bruder Clemence zu. Sofort eilt ihre Tante herbei und schaut auf den Klumpen Sand, der in der Schüssel liegt. Ein kleines Blitzen in einer Ecke verrät, dass da noch mehr zu finden ist als bloßer Schlamm und Kiesel: ein kleines Körnchen Gold! „Pass bloß auf“, mahnt die Tante. „Nicht, dass der Wind al- les wegweht!“ Aber Lisette hat keine Angst. Sie weiß schon, wie sie ihre Arbeit machen muss. Auch wenn sie kaum 13 oder 14 Jahre alt ist. Tag für Tag steht sie hier am Ufer des Flusses An- drangaranga, der durch die Berge von Madagaskar fließt. Sie und ihre Familie suchen nach Gold. Viel Zeit, ihren Fund zu be- staunen, hat das Mädchen nicht, denn die Arbeit ist ja noch nicht getan für heute. Schon kommt ihre Freundin Sara um die Ecke, sie schleppt einen Plastiksack voller goldbraunem Schlamm. Nachschub für Lisette und ih- ren Bruder Clemence. Sara kippt den Schlamm ans Ufer, die jungen Goldwäscher werden ihn in ihre Pfannen füllen und im glasklaren Wasser durchspülen. Solange, bis – vielleicht – ein paar weitere Gramm des edlen Metalls übrig bleiben. Wie viel war ihr Fund von vorhin wohl wert? „Vielleicht 3000 Ariary“, sagt Lisette. Das wäre ungefähr ein Euro. Vielleicht gibt es aber auch mehr dafür. So genau wollen es die Goldsucher nicht verraten – zu schnell könnte sich die Nachricht verbreiten, dass da jemand den ganz großen Schatz aus dem Fels heraus- gewaschen hat. Auch aus diesem Grund möchten sie, dass ihre BLICKWECHSEL MADAGASKAR Familiennamen lieber ungenannt bleiben. Tatsächlich ist die Arbeit hier Familiensache. „Das Land ge- hört meinen Schwiegereltern“, sagt der Älteste in der Runde, nachdem er Lisette, Sara und Clemence wieder zurück an die Arbeit geschickt hat. Er beauf- sichtigt auch seine drei jüngeren Brüder. Sie sind es, die die an- deren im Wasser mit Material versorgen. Gemeinsam haben sie ein kreisrundes Loch in den Lehm- boden gegraben. Etwa 15 Meter geht es senkrecht hinunter in die Tiefe – so weit, bis sie auf Grundwasser stoßen. Barfuß klettern sie hinunter, um die Stirn haben sie sich mit Klebe- band einfache Taschenlampen gebunden, damit sie etwas se- hen können. Mit kleinen Schau- feln und oft auch mit bloßen Händen graben sie weiter, im- mer weiter ins Erdreich hinein. Zwei der Jungen sind gerade un- ten, einer der drei wartet oben, am Rande des Erdlochs auf ihr Kommando. Dann wird er die Ladung nach oben ziehen. Die meisten Menschen in dieser Gegend bewirtschaften kleine Felder, bauen Reis und Kochbananen an, und die Ernte reicht gerade so aus, um die Familie zu ernähren. Gold ist da nur ein Zubrot – eine harte Arbeit, mit ungewissem Erfolg. Je- den Abend sammelt der älteste Bruder den Ertrag des Tages zusammen und trägt ihn in die nahe Kleinstadt Vohilava. Dort warten Händler schon auf ihn und all die anderen Goldsucher. Wenn die Goldsucher kommen, legen sie deren Fundstücke auf die sprichwörtliche Goldwaage und bestimmen den Preis. Bis zu 15 000 Ariary pro Gramm könnten es schon sein, wenn die Qualität stimmt. Vier bis fünf Euro, immerhin. Aber reich werden nur die anderen. Den Goldkindern bleibt die Hoffnung auf den nächsten großen Fund. A CHRISTIAN SELBHERR Das Gold der kleinen Leute BARFUSS IM EISKALTEN WASSER Sara (12) sucht nach Gold am Fluss Andrangaranga Fotos: Jörg Böthling (3), privat zu 15000 Ariary pro Gramm könnten es schon sein, wenn die

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