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mm_ebooks_02_2017

Foto: Philipp Wente VORSICHT SATIRE ES GIBT JA DIESE Kalendersprü- che, die einen so ein bisschen durch die Kurve tragen, wenn die Nervensägen mal wieder keine Ruhe geben. Braucht man dann ein Vademecum, kann man sich bei Konfu- zius bedienen. „Wenn du einen Würdigen siehst, dann trachte ihm nachzueifern. Wenn du einen Unwürdigen siehst, dann prüfe dich in deinem Innern!” Schön und gut, wenn’s eilt, aber vielleicht ein bisschen lang. Statt der chinesischen, empfehle ich die westfäli- sche Version meines Oppas: „Man kann se sich nicht aussuchen.” „Man kann se sich nicht aussuchen“ schafft „se” zwar nicht aus der Welt, hemmt aber vorübergehend die ei- gene Adrenalin-Produktion. „Man gewöhnt sich an alles.” Noch so’n Spruch. Den sollte man sich aber nicht an- gewöhnen. Man gewöhnt sich nicht an alles, nur weil man alles schon mal – oder schon ein paar Mal erlebt hat. Mein Oppa hat zum Beispiel zwei Weltkriege erlebt – sogar überlebt. Hat er sich deswegen dran ge- wöhnt? Ach was. Ich werde mich nie dran gewöhnen, dass mein Fußballverein auch mal ein Spiel ver- liert. Und ganz bestimmt werde ich mich keinesfalls dran gewöhnen, dass gewisse Hundeeigentümer ihre ihnen auch um die Nase rum immer ähnlicher werdenden Möpse genau dahin kacken lassen, wo ich gleich mit meinen Profil-Gummisohlen hin- trete, und zwar kurz bevor ich in mein Auto steige. Ich bin sogar sicher, dass sich selbst die Fußmatte meines Autos niemals daran gewöhnen wird, dass ich sie mit frisch ko- taminierten Profilsohlen besteige. Was meine Fußmatte in diesem Moment wohl sagen würde, wenn sie sprechen könnte. Vielleicht irgendwas von Paolo Coelho: „Wenn man auf ein Ziel zugeht, ist es äu- ßerst wichtig, auf den Weg zu achten.” Oder: „Herzlich willkommen in der Erleb- niswelt Fahrgastzelle – Wunderbäume in vielen Duftvarianten an der nächsten Tank- stelle?“ Jaha! Ich weiß, meine Fußmatte kann nicht sprechen. Schon klar! Mann. Ich bin hier gerade im Phantasiebereich tätig. Aber in der Wirklichkeit muss den Satz dann ja ei- ner sagen. Also sage ich ihn: „Man gewöhnt sich an alles!” Ja, ich sage ihn. Ganz schön oft sogar. Wi- der besseres Wissen. Weil ich ja weiß, dass ich mich nicht gewöhnen will und auch nicht kann. Nicht an Niederlagen meines Fußballvereins. Nicht an Menschen, die mit dem Rücken zum Denkmal stehen, damit beim Knipsen die eigene Pfanne mit auf dem Bild ist. Und schonmal gar nicht an diese als Wutbürger verkleideten unzivili- sierten Schreihälse, deren Sorgen und Nöte ich dauernd ernst nehmen soll. Da muss man obenrum schon ziemlich runterge- kommen sein, wenn man sich an die ge- wöhnt hat. A BIN ICH FROH, DASS ICH NICHT DABEI WAR, ALS ... GLOSSE:N ... sich zu viele an zu viel gewöhnt haben. FRITZ ECKENGA geboren 1955 in Bochum, ist Kabarettist, Autor und Kolumnist. Heute lebt er in Dortmund und dichtet von dort intelligent und einfallsreich über die Welt mit ihren Ecken und Kanten. Eckenga ist Gründungsmitglied des Musik- Theater-Ensembles N8chtschicht und jeden Mittwochvormittag im „Kabarett auf WDR 2“ zu hören. Sein aktuelles Bühnenprogramm heißt „Frisch von der Halde.“ Weitere Infos und Termine unter www.eckenga.com 28 | missio 2/2017

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