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mm_ebooks_03_2017

BLICKWECHSEL SYRIEN Die Zukunft der Christen im Nahen Osten ER IST SELBER nur knapp dem Tode entkommen. Im Juni 2016 sollte der syrisch- orthodoxe Patriarch Ignatius Aphrem II. sterben. Ein Selbst- mordattentäter hatte sich als Priester verkleidet. Er mar- schierte schon auf das Kloster- gebäude zu, in dem sich das Kirchenoberhaupt aus Syrien gerade befand. Kurz vor dem Eingang erregte der Attentäter Verdacht. Er wurde im letzten Moment noch aufgehalten. Drei Sicherheitsleute starben. Wenn Ignatius Aphrem, einer der höchsten Würdenträger der orientalischen Christen im Na- hen Osten, über die aktuelle Lage in seiner Heimat Syrien sprechen soll, dann betont er: „Ich glaube, dass wir für sehr lange Zeit völlig ignoriert wor- den sind.“ Ignatius Aphrem II. (51) Syrisch-orthodoxer Patriarch von Antiochien Die Christen würden auf der Seite des Machthabers Assad stehen, hieß es. Vor allem, als man im Westen noch auf einen Machtwechsel im Zuge des „Arabischen Frühlings“ setzte, wollte kaum jemand die Stimmen der Christen hören. „Ja, wir stehen an der Seite unserer gewählten Regierung,“ gibt der Pat- riarch zu. Aber er betont gleichzeitig: „Das bedeutet doch nicht, dass wir einer bestimmten Person treu sind. Wir haben nicht die beste Regierung der Welt, das bestreitet auch nie- mand. Aber wir sind loyal zu unserem Land“. „WIR BRAUCHEN EINE SCHUTZZONE FÜR CHRISTEN“ Die Christen fürchteten die Alternative, die sich mit dem wach- senden Einfluss von Extremisten und dem Aufstieg des „Islami- schen Staates“ anbahnte. Ein religiöses, islamistisches Regime in ganz Syrien, im Irak. „Das wäre das Ende für die Christen.“ Zu tief verwurzelt sind in den orientalischen Kirchen die Er- innerungen an die Ereignisse vor etwas mehr als einhundert Jahren: Tausende Aramäer, Chaldäer und Assyrer starben in den Jahren des ersten Weltkrieges. Dieser tausendfache Mas- 24 | missio 3/2017 senmord, verübt von Truppen des Osmanischen Reiches, ge- schah zur selben Zeit wie der Völkermord an den Armeniern. Doch heute sind diese Ereig- nisse beinahe vergessen. Nicht für Menschen wie Ignatius Aph- rem: „Was mit uns passiert, ist nicht weit von einem neuen Völkermord entfernt“, sagt der Patriarch. Seiner Einschätzung nach gehe es nicht um Einzel- fälle. „Es handelt sich um eine organisierte Bewegung, um das Christentum im Nahen Osten auszulöschen.“ Er ist überzeugt: „Wenn wir nichts dagegen unter- nehmen, dann wird es genau dazu kommen.“ Doch nicht in der Flucht, nicht in einem Leben fern der Heimat sieht er die Zukunft der Christen aus dem Nahen Osten. „Wir sind dankbar, dass Deutsch- land so viele Flüchtlinge aufge- nommen hat. Aber wir wünschen uns, dass Sie uns dabei helfen, dass die Christen in ihrer Heimat bleiben können.“ In Syrien brauche es einen Versöhnungspro- zess. „Und wir brauchen eine starke Regierung mit einer star- ken Armee, die uns beschützt.“ Für den Nordirak, eventuell auch für Syrien, hält er eine Schutzzone für notwendig, in der sich Christen unter internationalem Mandat ansiedeln sollen. Eine solche Schutzzone ist umstritten. Der ungarische Minis - terpräsident Viktor Orban hält sie für machbar. Für den ehe- maligen Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) ist sie nur schwer vorstellbar: „Schutzzonen muss man sehr konkret absichern. Dazu bräuchte man ein NATO-Engagement mit Bodentruppen.“ Aus gutem Grund, so Jung, hätten sich Län- der wie Deutschland gegen eine solches militärisches Eingrei- fen entschieden. Patriarch Ignatius Aphrem schwankt zwischen Hoffnung und Verzweiflung: „Ich wünsche mir, dass ich mei- nen Leuten eine gute und sichere Zukunft versprechen kann. Aber im Moment ist das unmöglich.“ Seine Stimme wird er wei- ter erheben.A r r e h b l e S n a i t s i r h C : s o t o F

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