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mm_ebooks_03_2017

VORSICHT SATIRE GLOSSE:N BIN ICH FROH, DASS ICH NICHT DABEI WAR, ALS ... ... die Digitalisierung begann. DIE ÄLTEREN VON UNS werden sich noch vage daran erinnern: In grauer Vorzeit – gefühlt war es die Epoche kurz nach dem abrupten Ableben der Dinosaurier, sie hieß soweit ich weiß Kreidezeit, weil man noch mit Kreide an die Tafel schrieb – damals, wenn man jemandem etwas mitteilen wollte, der fern von einem war, dann hat man auf Papier mit einem Handwerkszeug namens Kugelschreiber etwas drauf- geschrieben, was man dem in der Ferne Weilenden wissen lassen wollte. Zur Veranschaulichung hat man noch ein Foto, das man mit einem Gerät namens Fo- toapparat gemacht hatte, beigefügt. Das beschrie- bene Papier nannte man Brief, ein Begriff, der vielen jungen Menschen nicht mehr geläufig ist. Nach zwei bis drei Tagen erhielt der ferne Adressat erfreut den Brief, las ihn, betrachtete interessiert das Foto und für mehrere Wochen sah und hörte man nichts mehr voneinander und erwartete frohen Herzens den nächsten Brief. Diese Urzeiten der menschlichen Kommunika- tion sind vorbei! Endgültig! Aber auch gottseidank? Ich bin mir nicht sicher, ob die digitale Kommunika- tion in dieser Hinsicht einen Fortschritt darstellt. Ich bin mir eigentlich sicher, dass nicht! Dank Whats - App, Facebook, Twitter, Instagram und Co. erfahre ich in kürzester Zeit unheimlich viele Neuigkeiten, allerdings will ich den Großteil gar nicht erfahren. Unlängst teilte mir ein flüchtiger Bekannter per WhatsApp voller Stolz mit, dass sein zweijähriger Sohn soeben ein Pfund Spinat gegessen habe. Diese sensationelle Tat des Kindes untermalte er mit ei- nem Bild, das den Sprössling mit grünverschmier- tem Gesicht zeigte! Nicht genug damit, dass ich mir das ekelhafte Konterfei (wegen des Spinats, das Kind an sich ist nicht ekelhaft!) anschauen und auch noch einen erhobenen Daumen als Kommentar zu- rücksenden musste: Er hatte das Bild auch noch im Facebook gepostet, damit alle Welt an der gesunden und eisenreichen Ernährung des Buben teilhaben konnte bzw. musste! Noch schlimmer sind die Beziehungsprobleme, die über Facebook vor den Augen der Welt und lei- der auch vor den meinigen ausgetragen werden! Las ich doch vor wenigen Wochen die anklagenden Worte einer gewissen Jenny an einen gewissen Andy, der offenbar ihr Galan ist: „Mein Schatz, wieso hast du am Samstag dauernd mit Chantal getanzt und mich nicht einmal angeschaut? Das hat mir voll weh getan! Mennoooo!“ Den seelischen Schmerz, den ihr der ruchlose Andy zugefügt hatte, untermalte sie mit etlichen herzzerreißend weinenden Smileys (weinende Smileys, ein Widerspruch in sich!). Ich war dermaßen psychisch aufgewühlt ob dieses Grobians, dass ich einen Kommentar abgeben musste, um das arme Mädel zu beruhigen. „Mensch Andy, reiß dich doch zusammen! Jenny hat das nicht verdient! Und Chantal ist eine Schlampe!“, postete ich vorwurfsvoll. Ich darf hinzufügen, dass ich weder Jenny noch Andy kenne, Chantal sowieso nicht. Gestern am späten Abend, es war 23.58 Uhr, er- reichte mich über WhatsApp folgende Nachricht ei- ner Bekannten: „Ich kann nicht schlafen, du auch nicht?“ „Jetzt nicht mehr!“, antwortete ich wahr- heitsgemäß, da mich der Klingelton (ich habe dum- merweise eine Art Fanfare als solchen) aus einem süßen Schlummer gerissen hatte. Ganz üble Zeitgenossen sind auch diejenigen, die ihre mehr oder weniger geglückten kulinarischen Ver- suche öffentlich posten! Mehrmals täglich muss ich mir Bilder von Nudeln in Tomatensoße, zartrosa ge- bratenen Schweinefilets mit Kartoffelgratins, halben Gänsen und Enten, ganzen Schweinshaxen oder gar schleimigen Austern ansehen, nur weil meine soge- nannten Freunde meinen, die ganze Welt müsse ihre Kochversuche begutachten. Da lobe ich mir diejeni- gen, die lediglich einen Kasten Bier posten mit dem Hinweis: „Prost!“ In solchen Fällen lasse ich mich ge- legentlich sogar zu einem „Gefällt mir“ hinreißen! Es ist unglaublich, womit man täglich, ja minüt- lich, digital bombardiert wird: Bilder von neuen Au- tos und alten Freunden, von kleinen Kindern und großen Tieren, von Swimmingpools am Urlaubsort und erotischen Erlebnissen am Abort. Ich könnte noch viel darüber schreiben, bitte al- lerdings um Verständnis, dass ich jetzt zum Ende kommen muss. Warum? Weil ich muss mein Handy checken, vielleicht ist was Interessantes gekommen! Man kann nie wissen! A n i e t s n e d u e r F o n r A : o t o F TONI LAUERER geboren 1959 im oberpfälzischen Furth am Wald, ist Kabarettist und Autor. Seinen ersten Bühnenauftritt hatte er mit 22 Jahren. Freunde hatten ihn beim Schafkopf spielen dazu überredet, weil er andere Menschen schon immer gerne zum Lachen brachte. Seitdem kehrt er immer wieder auf die Bühne zurück. Sein aktuelles Programm heißt „Eigentlich is wurscht“. Neben seinen Kabarett- Auftritten schreibt Lauerer außerdem Bücher und Theaterstücke, die regelmäßig in Bayern und Österreich aufgeführt werden. Termine und weitere Infos unter www.tonilauerer.de. 28 | missio 3/2017

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