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mm_ebooks_04_2017

FACETTEN INTERNATIONAL Herr Ziegler, die Supermächte blockieren sich in der UNO gegenseitig - mit tödlichen Folgen. „In Syrien herrscht seit sechs Jahren ein grauenhafter Krieg mit Massenmord, mit Folter, mit 400 000 Toten, fünf Millio- nen Flüchtlingen, unsäglichem Leid. Kein UNO-Blauhelm ist dort, kein humanitä- rer Korridor, keine No-fly-Zone über die zivilen Wohngebiete. Die UNO ist weit weg. Genauso im Sudan, in Darfur: Ein fürchterlicher Krieg eines muslimischen Tyrannen, Omar Bashir, gegen drei afri- kanische Völker. Er verlässt sich auf das chinesische Veto und die Lähmung der UNO. Ein chinesisches Veto gibt es, weil elf Prozent des Erdöls, das China impor- tiert, aus dem Sudan kommt. In Gaza ha- ben wir seit 2006 eine absolut men- schenverachtende Blockade, dieses Ghet - to von Gaza, durch die Israelis – aber es gibt keine UNO-Reaktion, nichts, weil das amerikanische Veto die UNO lähmt. Also: Das Veto-Recht ist heute eine Plage und verantwortlich für fürchterliches Elend.“ Dabei gäbe es Alternativen. „Kofi Annan hat 2006 ein politisches Tes- tament hinterlassen, als er aus dem Ge- neralsekretariat ausschied: Ein Reform- Jean Ziegler: Der schmale Grat der Hoffnung. Meine gewonnenen und ver- lorenen Kämpfe und die, die wir gemeinsam gewinnen werden. C. Bertelsmann (2017). 320 Seiten, 19,99 Euro 10 | missio 4/2017 „Dieser Papst ist ein reines Wunder!“ Im missio magazin 3/2017 schrieb Jean Ziegler über „Das große Nein“ – er nannte darin den Lähmungszustand der Vereinten Nationen als Hauptgrund dafür, warum sich internationale Krisen und Konflikte so schwer lösen lassen. Im Interview spricht er über mögliche Alternativen. plan, der sagt, dass das Veto nicht mehr angewendet werden darf in Konflikten, bei denen Verbrechen gegen die Mensch- lichkeit begangen werden. Das wurde zwar zehn Jahre lang schubladisiert und von den Vetomächten totgeschwiegen, aber kommt jetzt wieder aufs Tapet.“ Warum werden die Reformpläne gerade jetzt hervorgeholt? „Weil im Syrien-Konflikt ganz neue Sa- chen passiert sind: Es ist eine dschihadis - tische Bewegung entstanden, die gegen Frankreich, England, Deutschland, Ame- rika tötet. Es sind Millionen von Flücht- lingen gekommen, die die Europäische Union vor Probleme gestellt haben, und plötzlich merken die Vetomächte, wenn man nicht auf die Kofi-Annan-Reform eingeht und wenn man nicht die UNO in- stand setzt, um zu intervenieren und den Konflikt beizulegen, dann wird sich die- ser Terrorismus immer weiter ausbreiten. Und deshalb gehen jetzt im Auswärtigen Amt, im State Department, im Quai d’Or- say mehrere Arbeitsgruppen daran zu prüfen, wie die Kofi-Annan-Reform um- gesetzt werden kann. Das ist eine un- glaubliche Hoffnung.“ Aber ist man als Diplomat nicht sowieso machtlos gegen die Spiele der Despoten und Diktatoren? „Dass korrupte Regime in der UNO sit- zen, ist eigentlich ein Vorteil. Dann kann man sie wenigstens konfrontieren. Es gibt schon eine Scham, wissen Sie. Auch wenn die Halunken überall da sind – wenn sie im Schweinwerferlicht sitzen müssen, und das ist der Fall in der Generalver- sammlung, dann ist das denen schon sehr unangenehm, dann passiert etwas.“ Um ganz konkret Verbesserungen zu er- reichen - Kriege beenden, Armut bekämp- fen, braucht es mutige Menschen. Auf wen hoffen Sie? „Ich glaube, man muss einerseits auf den Heiligen Geist hoffen. Der wird ja tätig, wenn es um die Papstwahl geht, und dass so ein Mann wie der Jesuit aus Ar- gentinien, Franziskus, Papst wird, ist ein reines Wunder. Was er sagt über das Elend in der Welt, ist beeindruckend. Er betont, dass es eine neue Kategorie des Elends gibt, das noch nie dagewesen ist, nämlich, dass die Menschen, die nicht mehr nur unterdrückt oder ausgebeutet sind, sondern vollkommen ausgestoßen aus der Gesellschaft. Sie leben in den Slums der Großstädte, werden nie ein Familienleben haben, sind permanent ar- beitslos, werden nie irgendwie ihre Frei- heit konkretisieren können. Sie gelten als Abfall. Das sind etwa eine Milliarde Menschen. Und für die spricht nun die- ser Papst. Ein Papst!“ Der Papst erhebt seine Stimme für die Ar- men. Die Umsetzung seiner Forderungen muss auf politischer Ebene geschehen. „Die zweite Hoffnung ist der neue Gene- ralsekretär der UNO, Antonio Guterres, ein Linker und gläubiger Katholik aus Portugal, der zehn Jahre lang ein großar- tiger Flüchtlingskommissar der UNO war, und früher Premierminister. Auch das ist meiner Meinung nach ein reines Wunder, dass der jetzt neuer Generalsekretär der UNO wird. Diese beiden Stimmen, der Papst und der Generalsekretär werden uns unglaublich helfen zur Bewusstseins- bildung und zur Mobilisierung der Zivil- gesellschaft.“ A INTERVIEW: CHRISTIAN SELBHERR t a v i r p , o i s s i m , n n a m s l e t r e B . C : s o t o F

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