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mm_ebooks_04_2017

Zwei Klassen: Das Kastensystem in der Kirche Indische Bischöfe stellen sich gegen Diskriminierung ALLE 18 MINUTEN wird ein Dalit, also ein Angehöri- ger der niedrigsten sozialen Kaste in Indien, Opfer eines Ver- brechens. Obwohl das Kastensystem seit 1949 offiziell abge- schafft ist, ist es in weiten Teilen der Gesellschaft noch fest ver- ankert. Die katholische Bischofskonferenz in Indien hat nun ein Grundsatzprogramm veröffentlicht, das gezielt gegen die Dis- kriminierung von Dalits vorgehen will. Und zwar vor allem ge- gen Ungerechtigkeiten innerhalb der Kirche selbst. „Obwohl 56 Prozent aller Katholiken Dalits sind, werden sie innerhalb der eigenen Gemeinde oft stark diskriminiert“, sagt Father Z. Devasagaya Raj vom Natio- nalbüro der Indischen Bischofskonfe- renz für Dalits und benachteiligte Klassen. So gebe es in einigen Regio- nen zum Beispiel zwei Priestersemi- nare, zwei Kirchen und zwei Leichen- wagen – je für Dalit- und Nicht-Dalit- Christen. „Die Kirche in Indien hat die gesellschaftliche Struktur übernom- men, obwohl diese im klaren Gegen- satz zum christlichen Grundverständ- nis steht“, sagt Raj. „Das Schreiben der Bischöfe ist ein erster wichtiger Schritt, nun muss es an die Umsetzung gehen.“ Denn Dalits, die nicht dem Hinduismus angehörten, hätten in Indien sowieso schon einen schlechteren Status als andere. „Schwarzer Tag“ für Christen und Muslime Da Islam und Christentum über kein Kastenwesen verfügen, er- kennt die indische Regierung Dalits aus diesen Religionen auch nicht als solche an. So können christliche und muslimische Da- lits zum Beispiel nicht von dem gesetzlichen Integrationspro- gramm profitieren, das den unteren Kasten eine bestimmte An- zahl an Plätzen im öffentlichen Dienst oder in Bildungseinrich- tungen garantiert. „Andererseits“, sagt Father Raj „verlangt die national-hinduistische Regierung unter Modi, dass wir unseren Glauben hinduistischen Gesellschaftsformen anpassen und uns vom westlichen Christentum abwenden“ Jedes Jahr am 10. August gehen christliche und muslimische Dalits auf die Straße und fordern die Regierung auf, sie als Da- lits anzuerkennen. Vor 67 Jahren wurde an diesem Tag offiziell beschlossen, dass Nicht-Hindus von bestimmten Rechten aus- genommen sind. „Black Day“ – „Schwarzer Tag“ nennen die Christen und Muslime dieses Datum. Fragt man Father Raj wird Christen der untersten Kaste demonstrieren in Delhi für mehr Anerkennung es diesen Tag wohl auch in Zukunft noch geben: „Unter Modi hat sich die Situation der Minderheiten noch verschlechtert. Er will Indien bis 2022 zu einem hinduistischen Staat machen. Diese Regierung sorgt dafür, dass Minderheiten ausgegrenzt bleiben“, sagt Raj. „Umso wichtiger ist es, dass die Kirche als gutes Beispiel für die Gesellschaft voran geht und Diskriminie- rungen nicht zulässt“. A STEFFI SEYFERTH INDIEN - 70 JAHRE UNABHÄNGIGKEIT Am 15. August 1947 gaben die Briten ihre größte Kolonie nach über 130 Jahren Fremdherrschaft frei. Begleitet von Vertreibung und Gewalt entstanden zwei Staaten: Für die hinduistische Mehrheit der Bevöl- kerung sollte zukünftig Indien die Heimat sein, für die Muslime Pakistan. Während Pakistan zur Islamischen Re- publik wurde und den Islam zur Staatsreligion erklärte, war Indien vor allem stolz auf seine kulturelle und religiöse Viel- falt. 2014 kam es allerdings auch in Indien zu einem bedeutenden politischen und gesellschaftlichen Wandel: Die hindu-nationali- stische Partei BJP unter Premierminister Narendra Modi löste die sozialliberale Kongress-Partei ab, die jahrzehntelang Indiens Po- litik dominierte. Die Hoffnung lag auf einem wirtschaftlichen Auf- schwung und einem Ende der Korruption. Doch die neue Regierung stärkt nicht nur nationale Entwicklungsprojekte, sondern auch die populistischen Stimmen im Land. Übergriffe auf religiöse Minder- heiten häufen sich. 70 Jahre nach Indiens Unabhängigkeit sehen Menschenrechtler die Religionsfreiheit und die gesellschaftliche Toleranz in der größten Demokratie der Welt in Gefahr. missio 4/2017 | 11

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